Immer wieder kommt es vor, dass Rechtsschutzversicherer die Deckung von Rechtsschutzfällen ablehnen, weil der Versicherungsfall vermeintlich außerhalb des versicherten Zeitraums eingetreten ist.
Aber was ist eigentlich der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung und wann fällt er in den versicherten Zeitraum?
Wann ein Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung – also ein Rechtsschutzfall – vorliegt und ob dieser dem Grunde nach vom Versicherungsschutz umfasst ist, ergibt sich grundsätzlich aus dem konkreten Versicherungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Rechtsschutzversicherer und den dazugehörigen Versicherungsbedingungen.
Grob skizziert liegt ein Rechtsschutzfall – im Hinblick auf Streitigkeiten im privaten Versicherungsrecht – vor, entweder wenn der Versicherungsnehmer behauptet, ein Dritter hätte ihm gegenüber gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen oder aber ein Dritter behauptet, der Versicherungsnehmer habe selbst einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder -vorschriften begangen.
Wichtig für einen Anspruch auf Deckungsschutz im Rahmen der Rechtsschutzversicherung ist nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls zusätzlich die Frage, ob dieser auch in den versicherten Zeitraum der Rechtsschutzversicherung hineinfällt.
Der versicherte Zeitraum ergibt sich zunächst aus dem Versicherungsschein. Hier sind sowohl der Versicherungsbeginn als auch der Versicherungsablauf dokumentiert. Fällt ein Rechtsschutzfall in diesen Zeitraum, ist die erste Hürde bereits genommen.
Zusätzlich zu beachten ist, dass Rechtsschutzversicherer regelmäßig sogenannte Wartezeiten vereinbaren. Diese betragen häufig drei Monate. Ist beispielsweise der Versicherungsbeginn zum 01.01.2020 mit einer Wartezeit von drei Monaten vereinbart, beginnt der versicherte Zeitraum folglich erst zum 01.04.2020.
Fällt ein Rechtsschutzfall in die sogenannte Wartezeit und damit nicht in den versicherten Zeitraum, besteht kein Anspruch auf Deckungsschutz aus diesem Versicherungsvertrag.
Regelmäßig kommt es vor, dass unsere Mandanten mit dem Vorwurf einer vermeintlichen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung im Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses konfrontiert werden.
Beispiel:
Der Versicherungsnehmer schloss im Jahr 2010 eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Seine Rechtsschutzversicherung besteht seit 2015. Im Jahr 2019 beantragt er Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund eingetretener Berufsunfähigkeit. Im Jahr 2020 teilt der Berufsunfähigkeitsversicherer seinem Versicherungsnehmer mit, dass er aufgrund von vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen und arglistiger Täuschung im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss im Jahre 2010 den Rücktritt vom Vertrag sowie die Anfechtung erklärt. In diesem Zusammenhang lehnt er die beantragten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ab.
Der Versicherungsnehmer möchte nun gegen die – aus seiner Sicht – ungerechtfertigte Leistungsablehnung sowie die erklärten Gestaltungsrechte vorgehen und hierfür seinen Rechtsschutzversicherer bemühen.
Der Rechtsschutzversicherer lehnt die Kostendeckung ab und verweist darauf, dass der Rechtsschutzfall außerhalb des versicherten Zeitraums eingetreten sei. Hierzu argumentiert er, dass der Rechtsschutzfall – nach dem Vorwurf des Berufsunfähigkeitsversicherers (vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung und arglistige Täuschung) – bereits im Jahr 2010 eingetreten sei. Der Rechtschutzversicherungsvertrag besteht jedoch erst seit 2015.
Oftmals sind Deckungsablehnungen, wie in unserem Beispiel, unbegründet und falsch.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BHG, Urteil vom 03.07.2019 – IV ZR 195/18) kommt es hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts des Rechtsschutzfalls auf das vom Versicherungsnehmer der Rechtsschutzversicherung verfolgte Ziel an. Als Bewertungsmaßstab setzt der Bundesgerichtshof hierfür drei wesentliche Ermittlungskriterien fest:
Die Festlegung des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalls soll sich allein nach der vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzung richten, wobei sein Vorbringen (1.) einen objektiven Tatsachenkern enthalten muss, (2.) welchen der Versicherungsnehmer mit dem Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet und (3.) auf welchen der Versicherungsnehmer seine Interessenverfolgung stützt. Dabei kommt es nicht auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder Entscheidungserheblichkeit seiner Behauptung an.
In unserem Beispiel begründete der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren mit der fehlerhaften Ablehnungsentscheidung und der erforderlichen Abwehr der Rücktritts- und Anfechtungserklärung seines Berufsunfähigkeitsversicherers im Jahre 2020. Es kommt also in unserem Beispiel auf den Zeitpunkt an, wann der Berufsunfähigkeitsversicherer seine ablehnende Leistungsentscheidung erklärt hat und nicht – wie vom Rechtsschutzversicherer argumentiert – auf den vom Berufsunfähigkeitsversicherer behaupteten vermeintlichen Verstoß gegen die vorvertraglichen Anzeigepflichten. Der Rechtsschutzversicherer hatte daher Deckung zu gewähren.
Einige Rechtsschutzversicherer versuchen die auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelte Drei-Säulen-Theorie jedoch durch Anpassung ihrer Versicherungsbedingungen einzuschränken.
Solche Versicherungsbedingungen enthalten dann regelmäßig Klauseln, nach denen der Rechtsschutzfall beim ersten behaupteten Rechtsverstoß eintritt, unabhängig davon, ob dies nun vom Versicherungsnehmer oder dem Gegner behauptet wird. Auf die Interessenlage des Versicherungsnehmers soll es nicht mehr ankommen. Im oben genannten Beispiel hätte der Versicherungsnehmer dann keinen Anspruch mehr auf Deckung gehabt, da der erste vermeintliche Rechtsverstoß vor Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages begangen worden wäre.
Ob Ihr Versicherungsvertrag eine solche einschränkende Klausel enthält und Ihr Rechtsschutzversicherer sich wirksam darauf berufen kann, bedarf indes einer sorgfältigen Prüfung.
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