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Der Fahrer eines Kraftfahrzeuges fuhr mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,03 Promille auf gerader Strecke auf ein ordnungsgemäß parkendes Fahrzeug. Der Fahrer war nicht Versicherungsnehmer und auch nicht Eigentümer des von ihm gesteuerten Fahrzeugs. Das Fahrzeug war Haftpflicht- und Vollkaskoversichert.
Der Versicherer zahlte den Schaden am fremden Fahrzeug und zahlte auch den Schaden an dem Fahrzeug, dass der Unfallverursacher gesteuert hat. Da nicht der Eigentümer/Versicherungsnehmer selbst betrunken gefahren ist, hat der Versicherer kein Kürzungsrecht. Allerdings besteht ein Schadensersatzanspruch des Versicherers gegenüber dem betrunkenen Fahrer.
In dem anschließenden Prozess wurde der Fahrer in erster Instanz antragsgemäß verurteilt, die angefallen Kosten dem Versicherer zu erstatten. Das OLG Dresden sah das genauso.
Das OLG begründet seine Entscheidung wie folgt:
Der Fahrer hat grob fahrlässig den Unfall verursacht. Bei grober Fahrlässigkeit besteht das Recht des Versicherers, den Schaden zu kürzen, und zwar umso mehr, je grob fahrlässiger der Unfall herbeigeführt wurde. Bei leichter „groben Fahrlässigkeit“ darf der Versicherer nur wenig kürzen, bei ganz grober „groben Fahrlässigkeit“ ganz viel bis hin zu einer Kürzung von 100%.
Da hier ein fremder Fahrer (nämlich nicht der Eigentümer/Versicherungsnehmer) sich grob fahrlässig verhalten hat, konnte der Versicherer zwar nicht kürzen und musste erst einmal alle Schäden begleichen, er durfte dann aber entsprechend Schadenersatz beim Fahrer nehmen. Und zwar vorliegend wegen der starken Alkoholisierung in voller Höhe.
Das OLG formuliert juristisch richtig, dass im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden Obliegenheit der Versicherer berechtigt sei, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Bei der Kürzung der Versicherungsleistung seien sämtliche Umstände des Einzelfalles abzuwägen. Das gelte grundsätzlich auch bei alkoholbedingter Fahruntauglichkeit. Das Maß der Kürzung sei an die Schwere des Verschuldens zu knüpfen. Dabei spiele die jeweilige Blutalkoholkonzentration eine erhebliche Rolle, da bei einem höheren BAK-Wert in der Regel auch von einem entsprechend höheren Verschulden ausgegangen werden könne. Eine Leistungskürzung des Versicherers auf „Null“ sei allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. Dies könne etwa bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit, der bei Werten ab 1,1‰ anzunehmen sei, in Betracht kommen.
Hier sei von einem BAK-Wert von 2,03‰ auszugehen, der eine Kürzung der Leistungen auf „Null“ rechtfertige. Das Leistungskürzungsrecht auf „Null“ beträfe sowohl die Kfz-Haftpflichtversicherung, als auch die Kaskoversicherung.
Bei diesem Regressprozess des Versicherers wegen der Alkoholisierung des Beklagten geht es um zwei voneinander zu trennende Komplexe:
Einerseits um die Leistungen aus der Kraftfahrthaftpflichtversicherung wegen der Regulierung des von dem Beklagten verursachten Fremdschadens an dem parkenden Fahrzeug und andererseits um die Leistungen aus der Vollkaskoversicherung.
Da der Beklagte nicht der Versicherungsnehmer und Eigentümer des von ihm gefahrenen Fahrzeug ist, war der Kaskoversicherer gehalten, die Leistung nicht zu verweigern, sondern den Schaden zunächst gegenüber dem Eigentümer zu regulieren und sodann den Beklagten als verantwortlichem Fahrer in Regress zu nehmen.
Wichtig zu wissen: Bei absoluter Fahruntüchtigkeit (ab 1,1‰) spricht schon der Anscheinsbeweis für die grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2006 – 4 U 193/05). Unterhalb dieser Grenze bedarf es dagegen konkreter Feststellung zum Einzelfall (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.2002 – IV ZR 212/01 und BGH, Urt. v. 24.02.1988 – IVa ZR 193/86).
Nach einhelliger Rechtsprechung ist aber bei alkoholbedingt absoluter Fahruntüchtigkeit grundsätzlich von einer Leistungskürzung auf Null auszugehen.
(So auch z.B. LG Dortmund, Urt. v. 27.02.2014 – 2 O 370/13; LG Kaiserslautern, Urt. v. 07.02.2014 – 3 O 323/13). Die nach der Einführung des „neuen“ VVG 2008 anfänglich umstrittene Frage, ob bei grober Fahrlässigkeit grundsätzlich auch eine vollständige Leistungskürzung auf Null statthaft ist, wurde vom BGH (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2012 – IV ZR 251/10 und BGH, Urt. v. 22.06.2011 – IV ZR 225/10) im Einklang mit der Instanzrechtsprechung bejaht. Während diese sich allerdings weitgehend auf die pauschale Feststellung reduzierte, dass beim Führen eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss stets eine Leistungskürzung auf „Null“ gerechtfertigt sei, hat der BGH klargestellt, dass dieses Ergebnis nicht zwingend vorgegeben ist, sondern eine vollständige Leistungskürzung nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Dies kann insbesondere bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit der Fall sein, da dies zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt zählt.
Grundsätzlich gilt, dass ab dem Einstiegswert für die relative Fahruntüchtigkeit die Kürzungsquote mit dem zunehmenden Grad der Alkoholisierung und der daraus folgenden Gefährdung ansteigt. Dazu nachfolgende Übersicht:
In der Kraftfahrthaftpflichtversicherung ist der Versicherer bei einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung ebenfalls berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Der Gesetzestext gibt auch hier allerdings für eine Quotierung keine weitere Hilfestellung. In der Praxis verläuft die Quotenbildung aber parallel zur Schadensversicherung. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen, wie der Alkoholisierung ab 1,1‰, ist dementsprechend eine Leistungskürzung auf Null statthaft (vgl. BGH Urt. v. 11.01.2012 – IV ZR 251/10 und LG Münster, Urt. v. 24.09.2009 – 15 O 275/09). Die Leistungsfreiheit in der Kraftfahrthaftpflichtversicherung ist allerdings summenmäßig begrenzt.
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