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Das OLG Dresden entschied in diesem Urteil (Az. 4 U 1779/17) darüber, wie groß ein neuerstelltes Gebäude sein darf im Verhältnis zu dem zerstörten, abgebrannten Gebäude.
Immer wieder stellen sich für Versicherungsnehmer Fragen, wie sie, nachdem ein Gebäude vollständig abgebrannt ist, das neu wiederherzustellende Gebäude aufbauen dürfen, um die Neuwertspitze zu erhalten. Wer mit „Neuwertspitze“ und „Zeitwertschaden“ noch nichts anfangen kann, der kann sich gerne im Ratgeberbereich zu Brandschäden an Gebäuden näher informieren:
(In Kurzform: „Zeitwertschaden“ ist der Wert, den das Gebäude an Wert verloren hat unter Berücksichtigung des Alters des Gebäudes. Vergleichbar damit, was man bekommt, wenn ein anderer in ein 10 Jahre altes Auto gefahren ist, das Totalschaden erlitten hat: Auch da bekommt man keinen Neuwagen sondern nur das, was der alte Wagen Wert war. „Zeitwert“ eben.
„Neuwert“ ist das, was die Wiederherstellung Hauses in Neu kosten würde.
Die „Neuwertspitze“ ist das, was vom Zeitwert zum Neuwert fehlt. Denn den Zeitwertschaden zahlt die Versicherung direkt nach dem Brand, die Neuwertspitze erst dann, wenn man das Haus wiederhergestellt hat bzw. sich Wiederherstellung sichergestellt hat. Mehr dazu und viel genauer unter obigem Link.)
Grundsätzlich gilt, dass nach einem Brandschaden der Versicherungsnehmer zunächst nur ein Anspruch auf die Zeitwertentschädigung hat. Möchte er die Neuwertspitze haben muss er innerhalb von drei Jahren das abgebrannte Gebäude neu wiederherstellen. In den Versicherungsbedingungen ist wie folgt geregelt:
Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch …, Der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird, um die versicherte Sache in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wieder zu beschaffen …
Immer wieder stellt sich die Frage, was „gleicher Art und Zweckbestimmung“ bedeutet. Im konkret entschiedenen Fall brannte ein Einfamilienhaus ab. Mit Satteldach, Keller, Erdgeschoss und Dachgeschoss sowie einem ausgebauten Bodenraum, den der Versicherungsnehmer als Kinderzimmer und Abstellraum nutzte. Das Gebäude verfügte über mehrere Zimmer. Anstelle des abgebrannten Hauses wurde nun ein einstöckiger Bungalow mit Flachdach ohne Keller errichtet. Geplant war eine offene Küche mit Esszimmer, Wohnzimmer, Kaminzimmer, Gästezimmer, Gästebad, Hauswirtschaftsraum, Schlafzimmer nebst Ankleide sowie Bad/WC. Der umbaute Raum des zerstörten Gebäudes betrug 492,66 m³, der das neu geplanten Gebäudes 464 m³.
Hinsichtlich der Quadratmeter Fläche waren sich die streitenden Parteien uneins. Der Versicherer meinte, dass die Wohnflächenverordnung hinsichtlich der Berechnung der Wohnfläche heranzuziehen sei. Der Versicherungsnehmer meinte, dass die Wohnflächenverordnung nicht anzuwenden sei. Klar, da die Wohnflächenverordnung für den Versicherungsnehmer im konkreten Fall zu einem für ihn schlechteren Ergebnissen führte. Im für den Versicherungsnehmer schlechtesten Fall betrug die Quadratmeter Fläche des neu gebauten Hauses 160 m², die des alten Gebäudes nur rund 130 m².
Der Versicherer war der Ansicht, dass er die Neuwertspitze nicht zu zahlen hätte, da das neu gebaute Haus viel größer sei als das alte Gebäude und deshalb nicht „gleicher Art und Zweckbestimmung“ sei.
Immerhin in erster Instanz verlor der Versicherungsnehmer seinen Prozess.
Das OLG Dresden, also die zweite Instanz, gab dann aber dem Versicherungsnehmer Recht. Das OLG Dresden urteilte, dass das neue Gebäude nicht zu groß ausgefallen sei. Tatsächlich sei das neu errichtete Gebäude in etwa gleich groß wie das zerstörte und dient auch gleichartigen Zwecken, nämlich Wohnzwecken. Die unterschiedliche Bauweise sei unschädlich. Ob Satteldach oder Bungalow, es sei kein Gebäude anderer Art errichtet worden. Ein einstöckiger Bungalow mit Flachdach und ohne Keller entspricht einer modernen Bauweise. Unschädlich sei, so das Gericht, wenn ein altes, eingeschossiges Gebäude zweigeschossig wiederhergestellt wird. Eine solche Abweichung wird von dem Tatbestandsmerkmal „in gleicher Art“ noch umfasst. Nichts anderes könne gelten, wenn ein bisher zweigeschossiges Gebäude als Eingeschossiges neu hergestellt wird.
Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Nutzfläche des neuen Gebäudes mit 25 % nicht wesentlich von derjenigen des alten Gebäudes abweiche. Eine Abweichung der Nutzfläche von jedenfalls bis zu 40 % bei einer etwa gleichbleibenden Größe des umbauten Raums ist nicht erheblich. Feste Grenzen für die Abweichung der Fläche gibt es nicht. Insoweit kommt es stets auf die Gesamtbetrachtung auch unter Berücksichtigung anderer Parameter, z. B. der Größe des umbauten Raums, an.
Ein wichtiges Urteil des OLG Dresden, das noch einmal konkretisiert, dass es nicht allein auf die Quadratmeter Wohnfläche ankommt, sondern auch auf den umbauten Raum. Wesentliche Abweichung der Wohnfläche ist bis 40 % erlaubt und erst danach schädlich.
Im vorliegenden Fall hatten sich die Parteien schon erheblich im Vorfeld gestritten. Es macht aber immer Sinn, zu versuchen, bereits dann, wenn die Planungen für das neu zu errichtende Gebäude vorliegen mit dem Versicherer Einigkeit darüber zu erzielen, dass dann, wenn nach den Plänen das Gebäude neu wiederhergestellt wird, dann auch die Neuwertentschädigung fällig ist und auch nach Ansicht des Versicherers eine Wiederherstellung „gleicher Art und Zweckbestimmung“ vorliegt. Will der Versicherer sich dazu nicht äußern oder lehnt er die Wiederherstellung als nicht gleichwertig ab kann sich der Versicherungsnehmer immer noch überlegen, ob er seine Pläne ändert oder ob seine Rechtsposition so stark ist, dass sich der Gang vor die Gerichte lohnt. Dieses Urteil hier kommt Versicherungsnehmern in jedem Falle sehr entgegen.
Das OLG Frankfurt hat z. B. eine Nutzfläche von 53 % und eine Erhöhung des umbauten Raums von 60 % als nicht mehr gleichwertig qualifiziert und damit als schädlich. Wo früher ein Vereinsheim mit 216 m² stand und nach dem Brand eine Sporthalle mit Nebenräumen mit einer Fläche von 507 80 m², hat das OLG Köln ebenfalls die Identität verneint. Ebenso das OLG Köln, wo aus einem Gastronomiebetrieb Kleinstwohnungen bei doppelt so großer Grundfläche und Rauminhalt wiederaufgebaut wurden.
Dagegen hatte der BGH die Identität bei einer Erhöhung der Wohnfläche von 116 m² auf 171,20 m² nicht beanstandet.
Da die Neuwertspitze meistens einen ganz wesentlichen Teil der Entschädigungsleistung beträgt sollte jeder, der ein abgebranntes Gebäude wiederherstellt möglichst sicherstellen, dass es sich dabei noch um ein gleichwertiges Gebäude handelt. Das gilt umso mehr, je älter ein Gebäude zum Zeitpunkt der Zerstörung war.
(MW10/18)
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