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Gebäudebrand: Trotz Unterversicherung und offener Brandursache muss Versicherung voll regulieren

Urteil vom 06.04.2018 – Landgericht Itzehoe, 3 O 143/13

Entstand das Feuer wegen grober Fahrlässigkeit des Versicherten, oder war ein einfacher Kurzschluss schuld? Lässt sich diese Frage nicht klären, muss die Versicherung zahlen.

Außerdem: Wer hat zu verantworten, dass ein Gebäude gegen Feuer unterversichert ist? In vielen Fällen die Versicherung – mit der Folge, dass sie den gesamten Schaden zu regulieren hat und kein Abzug wegen Unterversicherung möglich ist.

So entschied das Landgericht Itzehoe am 06. April 2018.

Grobe Fahrlässigkeit und Unterversicherung?

Im vorliegenden Fall brannte ein Gebäude im August 2012 vollständig aus. Der Kläger betrieb in diesem einen Spielzeugladen. Die Brandursache war unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Der Brand hätte durch einen zu lange geladenen Lithium-Akku ausgelöst worden sein können. Allerdings konnte auch ein Leitungskurzschluss nicht ausgeschlossen werden. Die endgültige Aufklärung der Brandursache war daher nicht möglich.

Der Kläger forderte von der Versicherung nun die Schadensregulierung – zunächst ohne Erfolg. Die Versicherung argumentierte, der Brand sei grob fahrlässig durch das falsche Laden des Akkus verursacht worden. Dies habe ein von ihr beauftragter Gutachter festgestellt. Sie müsse daher nicht zahlen. Zudem sei das Gebäude eklatant unterversichert gewesen. Dementsprechend sei sie allenfalls anteilig zur Begleichung des Schadens verpflichtet.

Der Versicherungsnehmer erhob daraufhin Klage und forderte die Regulierung des Schadens.

Ausflüchte des Versicherers scheitern

Das Gericht gab dem Versicherten Recht.

Die Versicherung könne die Zahlung nicht aufgrund grober Fahrlässigkeit des Klägers verweigern (§ 81 Abs. 2 VVG). Sie hätte ihm dazu nachweisen müssen, dass der Brand durch grobe Fahrlässigkeit entstanden sei. Jedoch hätten weder Staatsanwaltschaft noch die hinzugezogenen Sachverständigen die Brandursache zweifelsfrei klären können. Laut deren Aussagen habe eine Wahrscheinlichkeit von ca. 25% bestanden, dass das Feuer durch einen gewöhnlichen Leitungskurzschluss entstanden sei. Das Gericht stellte daher fest, dass die Brandursache nicht feststehe. Weitere Ermittlungen seien aufgrund der Zerstörung des Gebäudes nicht möglich.

Auch den Einwand der Unterversicherung ließ das Gericht nicht gelten. Es sei nämlich Sache der Versicherung gewesen, ihren Kunden über die große Differenz zwischen Gebäudewert und Versicherungssumme aufzuklären. Dies hänge damit zusammen, dass die Ermittlung des Gebäude- bzw. Versicherungswerts bei der Feuerversicherung besonders kompliziert sei. Es müsse schließlich der sog. „Versicherungswert 1914“ ermittelt werden. Dazu führt das Gericht aus:

„Die Ermittlung des Versicherungswertes 1914 wird regelmäßig nur einem Gebäudesachverständigen zuverlässig möglich sein.“

Die Versicherung müsse auf die Unterversicherung sogar hinweisen, obwohl der Versicherungsnehmer von einem professionellen Makler unterstützt worden sei. Denn die Versicherung hätte gleich erkennen können, dass das Gebäude unterversichert gewesen sei und sich somit offenkundig auch der Makler geirrt habe. Dementsprechend sei sie zur vollständigen Begleichung des Schadens verpflichtet.

Fazit

Nicht selten versuchen Versicherungen, die Brandursache dem Versicherten in die Schuhe zu schieben, um so ihre Zahlungspflicht zu mindern oder ihr gar zu entgehen. Das Landgericht Itzehoe bestätigt, dass dafür grobe Fahrlässigkeit zweifelsfrei feststehen muss. In vielen Fällen wird der Versicherung dieser Nachweis nicht gelingen.

Zu begrüßen ist auch die Feststellung, dass die Versicherung trotz Einschaltung eines Maklers weiterhin zur Beratung verpflichtet ist. Das gilt insbesondere für die Gebäudewertermittlung in einer Feuerversicherung. Berät sie hier nachlässig, kann sie sich im Schadensfall z.B. nicht auf eine Unterversicherung berufen.

Für Versicherungsrechtsprofis hier die Urteilsbegründung des Gerichts:

2. Vorliegend hat die Beklagte zudem den Unterversicherungseinwand erhoben.

Der streitgegenständliche Versicherungsvertrag wurde dahingehend abgewandelt, dass die Versicherungssumme auf 300.000 € festgesetzt wurde und damit auf den Nennwert 1914 von 25.314 M. Damit liegt unstreitig ein erhebliches Missverhältnis zum tatsächlichen Wert des Grundstücks vor. Der Versicherungswert ist Maßstab für die Bestimmung der „Soll-Versicherungssumme“. Die Versicherungssumme muss dem Versicherungswert entsprechen; ansonsten besteht eine Unterversicherung mit der Folge, dass im Schadensfall die Entschädigungssumme quotal gekürzt wird (von Rinteln in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, A § 5 AMB/ABMG/ABE – Versicherungswert, Versicherungssumme, Unterversicherung, Rn. 2).

In der Feuerversicherungswertermittlung erfolgt die Berechnung des Listenpreises/ der Anschaffungskosten durch Zurückrechnen bis auf 1914. Von dieser Basis aus wird dann indexiert. Diese Art der Versicherungswertermittlung begründet zusätzliche Schwierigkeiten bei der Ermittlung des richtigen Versicherungswerts. Hier trifft den Versicherer eine erhöhte Beratungspflicht (Scheuermeyer S. 125, 137; Schirmer/Höhne VersR 1998 661, 663, 665).

Die Beratungspflichten des Versicherungsunternehmens knüpfen an eine besondere Beratungsbedürftigkeit des Produkts und/ oder die unterlegene Sachkenntnis des Versicherungsnehmers an. Wenn der Versicherungsnehmer einen Makler zu Rate zieht, hat er einen eigenen sachkundigen Berater beauftragt. Dies kann grundsätzlich die Notwendigkeit einer Beratung durch das Versicherungsunternehmen entfallen lassen.

Beratungspflichten vom konkreten Beratungsbedarf der Gegenseite abhängig

Grundsätzlich sind Beratungspflichten auch vom konkreten Beratungsbedarf der Gegenseite abhängig. So muss ein erkennbar besonders unwissender Vertragspartner im Zweifel intensiver beraten werden als ein erkennbar sachkundiger. Wenn der VN selbst einen sachkundigen Berater hinzugezogen hat, verneint das VU meist eine Beratungspflicht. Ein solcher sachkundiger Berater ist auch der Versicherungsmakler (Schirmer/Höhne, VersR 1998, 661).

Vorliegend wurde die Vertragsänderung durch die Inanspruchnahme des Streithelfers, der von Beruf Versicherungsmakler ist, abgeschlossen und die Versicherungssumme auf 300.000 € herabgesetzt, sodass hier grundsätzlich eine fachkundige Beratung durch den Makler erfolgen musste. Der Grundsatz, dass die Beratungspflichten des Versicherers zurücktreten kann aber nicht uneingeschränkt gelten.

Die fachkundige Beratung durch einen Dritten kompensiert nur fehlende eigene Sachkunde des Versicherungsnehmers. Sie kann sich daher nur dann auswirken, wenn die Beratungspflicht aus der Schwierigkeit der Aufgabe hergeleitet wird. Soweit die Beratungspflicht hingegen an erkennbare Irrtümer und Fehleinschätzungen des Versicherungsnehmers anknüpft, besteht kein Grund zur Entlastung des Versicherungsunternehmens, nur weil dieser Fehler nicht dem Versicherungsnehmer selbst unterlaufen ist, sondern dem von ihm beauftragten Makler. Denn auch wenn der Versicherungsnehmer selbst grundsätzlich sachkundig ist, ist das Versicherungsunternehmen bei offenkundigen Fehlern zum Hinweis verpflichtet. Ebenso verhält es sich bei Beratungs- oder Hinweispflichten wegen besonderer Schwierigkeit der Fragestellung. Die Beratungspflicht des Versicherungsunternehmens kann nur so weit entfallen, wie die Sachkunde des jeweiligen Beraters reicht (Schirmer/Höhne, VersR 1998, 661).

Im Bereich von Fragen mittleren Schwierigkeitsgrades, die zwar den VN überfordern, aber einem Makler regelmäßig zumutbar sind, besteht daher kein Bedürfnis für eine Aufklärungspflicht des Versicherungsunternehmens. In Einzelfällen kann jedoch auch der Makler überfordert sein.

Die Ermittlung des Versicherungswertes 1914 wird regelmäßig nur einem Gebäudesachverständigen zuverlässig möglich sein.

Soweit dies dem Versicherungsunternehmen erkennbar ist, könnte man an einer Beratungs- oder Hinweispflicht festhalten (Schirmer/Höhne, VersR 1998, 661). Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine Beratungspflicht der Beklagten aufgrund des übersandten Bewertungsbogens vor.

Aus den Angaben des Klägers und des Streithelfers für die Versicherung bereits ersichtlich, dass der Wert der Immobilie weder dem Makler, noch dem Versicherungsnehmer bekannt ist.

Es war gerade deshalb eine Bewertung erforderlich. Durch die Übersendung des Bogens wurde diese auch eingeleitet. Die Versicherung hat es in der Folge, ohne dies gegenüber dem Makler oder dem Versicherungsnehmer offen zu legen von einer Prüfung des Bogens abgesehen, obwohl ihr bekannt war, dass die Bewertung des Versicherungswertes 1914 besondere Schwierigkeiten birgt und der Makler dies auch deutlich gemacht hat, indem um die Übersendung eines Bewertungsbogens gebeten wurde.

Mithin war das Versicherungsunternehmen zur sorgfältigen Beratung oder Hilfestellung verpflichtet. Der Versicherungsnehmer kann bei Fehlern einen Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung bzw. Culpa in contrahendo geltend machen. Er ist dann im Rahmen der Naturalrestitution so zu stellen, als wenn eine zutreffende Beratung erfolgt wäre. Dabei wird vermutet, dass sich der Versicherungsnehmer bei zutreffender Beratung anders entschieden hätte. Das Versicherungsunternehmen kann sich mithin nicht auf die für den Versicherungsnehmer ungünstige Situation berufen (Schirmer/Höhne, VersR 1998, 661). Mithin ist im vorliegenden Fall nicht von einer Unterversicherung auszugehen. Die Beklagte kann mit diesem Einwand nicht gehört werden.

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