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Bei diesem Urteil geht es um das Problem, das immer auftaucht, wenn bei einer Brandstiftung die Staatsanwaltschaft gegen die Versicherungsnehmer ermittelt. In den Versicherungsbedingungen steht, dass so lange keine Auszahlung der Versicherungssumme (der Entschädigungssumme) erfolgt, bis die Ermittlungen gegen die Versicherungsnehmer abgeschlossen sind. Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft sehr lange „nicht“ ermittelt, aber das Ermittlungsverfahren nicht eingestellt. Dann hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, die Anklage wurde aber nicht von der Strafkammer angenommenen mangels hinreichenden Tatverdachts gegen die Versicherungsnehmer.
All das führte aber dazu, dass keine Entschädigung durch den Versicherer geflossen ist und deshalb das (abgebrannte) Unternehmen einen erheblichen Betriebsunterbrechungsschaden erlitten hat, den die Versicherungsnehmer nun vom Staat ersetzt verlangen. Die Staatsanwaltschaft hätte schneller das Ermittlungsverfahren einstellen müssen, dann wäre der Unterbrechungsschaden nicht derart hoch ausgefallen, so die Argumente. Zum Teil zu Recht, das Gericht urteilte wie folgt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. Mai 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 328.291,66 DM abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kläger sind die einzigen Gesellschafter und Geschäftsführer der F. & M. GmbH, die auf dem Grundstück A. E. in E. Fischwaren produzierte.
Am Abend des 10. September 1995 brach ein Feuer aus, durch das die Betriebsgebäude der Gesellschaft weitgehend zerstört wurden. Die Staatsanwaltschaft A. ermittelte gegen die Kläger wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen vorsätzlichen Brandstiftung und des Versicherungsbetruges. Unter dem 5. Juni 1996 erhob sie Anklage wegen dieses Vorwurfs. Die Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts gegen die Kläger ab.
Die Kläger haben das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch genommen. Sie haben geltend gemacht, die Staatsanwaltschaft habe sowohl bei der Einleitung und späteren monatelangen Aufrechterhaltung der Ermittlungen als auch bei der Anklageerhebung pflichtwidrig gehandelt. Den eingeklagten, aus eigenem wie aus abgetretenem Recht der F. & M. GmbH hergeleiteten Gesamtschaden von 884.174,57 DM haben sie – abgesehen von im Ermittlungsverfahren aufgewendeten Anwalts- und Sachverständigenkosten von insgesamt 40.366,45 DM – mit dem Hinweis darauf, dass vor dem Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens keine Auszahlungen seitens der Versicherungen erfolgt seien, als „Betriebsunterbrechungsschaden“ errechnet.
Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei es jedoch in den Entscheidungsgründen seines Urteils zum Ausdruck gebracht hat, dass nur in der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung, nicht auch in der Einleitung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens, eine Amtspflichtverletzung gelegen habe. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes – unter Zurückweisung der Berufung der Kläger – die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger, die ihren Anspruch insgesamt weiterverfolgen, hat der Senat mit Beschluss vom 22. Dezember 1999 angenommen, soweit die Klage in Höhe von 328.291,66 DM abgewiesen worden ist; im übrigen hat er sie nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt in dem Umfang, in dem sie vom Senat angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Soweit es um die Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Kläger und die Art und den Umfang desselben bis zu der abschließenden Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 5. Juni 1996 geht, sind die daraus hergeleiteten Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung durch das Urteil des Berufungsgerichts, das in diesem Umfang durch den Beschluss des Senats über die Nichtannahme der Revision Rechtskraft erlangt hat, abgewiesen. Hierbei handelt es sich im Anschluss an die Berechnung der Klageforderung durch die Kläger um einen Teilbetrag von (884.174,57 DM ./. 328.291,66 DM =) 555.882,91 DM. Das Revisionsverfahren betrifft nach der Teilannahme der Revision einen restlichen Schadensersatzanspruch von 328.291,66 DM (787.900 DM : 12 x 5 „Betriebsunterbrechungsschaden“, der durch die Erhebung der Anklage vom 5. Juni 1996 statt einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Kläger verursacht worden sein soll).
… die Erhebung der Anklage sei – zumindest gegen den Kläger zu 2 – in keiner Weise zu beanstanden. Zum einen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine (vorsätzliche) Brandstiftung vorhanden gewesen. Zum anderen habe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen, dass die Hauptverhandlung eine Tatbegehung durch den Kläger zu 2 ergeben werde. Dieser sei durch verschiedene und in ihrer Häufung bemerkenswerte Indizien belastet worden, die in der Anklageschrift aufgelistet und bewertet worden seien. Der Kläger zu 2 sei kurz vor Ausbruch des Brandes zweimal am Tatort gewesen. Sein Alibi für den Zeitpunkt der Brandentstehung hätte ihn nicht maßgeblich entlasten können, da es ohne weiteres zu bewerkstelligen gewesen wäre, einen Brand mit zeitlicher Verzögerung zu legen.
Außerdem habe nach dem Verhalten, das der Kläger zu 2 kurz vor dem Ausbruch des Feuers gegenüber dem Zeugen B. an den Tag gelegt hatte, einiges dafür gesprochen, dass er ein Interesse daran gehabt habe, den Zeugen von dem Betriebsgebäude fernzuhalten, bzw. dass er ihn zumindest dort nicht ohne Aufsicht habe agieren lassen wollen. Ein Motiv für die Tat habe sich daraus ergeben, dass die GmbH in nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt habe oder diese ihr doch zumindest bevorgestanden hätten. Zwei wichtige Kunden seien verloren gegangen. Außerdem habe eine hohe zivilrechtliche Forderung gedroht.
Ferner habe eine Prüfung der hygienischen Verhältnisse des Betriebs angestanden, die man bislang hinausgeschoben gehabt habe. Letztlich sei noch hinzugekommen, dass die Pläne für eine Betriebsverlagerung kurz zuvor gescheitert gewesen seien. Vor dem Hintergrund dieses Ermittlungsergebnisses sei die Annahme, dass die in der Hauptverhandlung zu erhebenden Beweise mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung führen würden, ohne weiteres vertretbar gewesen.
Hieraus – so das Berufungsgericht weiter – ergebe sich auch die Unbegründetheit der Klage des Klägers zu 1 bezogen auf die Anklageerhebung. Der Versicherer hätte nämlich die Zahlung der Versicherungssumme auch dann zurückgehalten, wenn der Staatsanwalt die Anklage nur gegen den Kläger zu 2 erhoben hätte.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Senats bestimmte Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, zu denen auch die Entschließung zur Erhebung der öffentlichen Klage nach § 170 Abs. 1 StPO gehört, im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre „Richtigkeit“, sondern nur daraufhin zu überprüfen sind, ob sie – bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege – vertretbar sind (Senatsurteile vom 21. April 1988 – III ZR 255/86 – NJW 1989, 96, vom 24. Februar 1994 – III ZR 76/92 – NJW 1994, 3162 und vom 16. Oktober 1997 – III ZR 23/96 – NJW 1998, 751).
Die Würdigung des Sachverhalts unter diesem Gesichtspunkt ist Sache des Tatrichters, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter den Begriff der Vertretbarkeit verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (Senatsurteil vom 16. Oktober 1997, aaO). Dazu gehört allerdings auch, dass der Tatrichter die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die in Rede stehende Maßnahme der Staatsanwaltschaft (hier: nach § 170 Abs. 1 StPO) stand, zutreffend erfasst hat und seine Würdigung vor diesem Hintergrund hinreichend konkret, aus sich heraus „geschlossen“ und nachvollziehbar ist.
Daran fehlt es hier.
Die Staatsanwaltschaft durfte nur Anklage gegen die beiden Kläger erheben, wenn die Ermittlungen hierzu genügenden Anlass boten. D. h. wenn sie hinreichenden Tatverdacht im Sinne einer gemeinschaftlichen vorsätzlichen Brandstiftung in Tateinheit mit Versicherungsbetrug ergeben hatten (§§ 170 Abs. 1, 203 StPO; vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1970 – III ZR 95/68 – NJW 1970, 1543; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 170 Rn. 1; ders. aaO § 203 Rn. 2). Hinreichender Verdacht bedeutet die Feststellung von Tatsachen, die nach praktischer Erfahrung zu einer Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweisen führen werden. Die Staatsanwaltschaft hat nicht die Frage der Täterschaft und Schuld restlos bis in alle Einzelheiten zu klären. Sondern nur einen hinreichenden Tat- und Schuldverdacht zu ermitteln, der eine Verurteilung wahrscheinlich macht.
Dabei müssen zwar gewisse Belastungsmomente erwiesen sein, jedoch darf die Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Angaben des Beschuldigten und den vorhandenen Beweisergebnissen der Hauptverhandlung überlassen bleiben (Senatsurteil vom 18. Juni 1970 aaO). Der unbestimmte Rechtsbegriff „hinreichender Tatverdacht“ lässt einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum, zumal es sich (auch) um eine Prognose handelt. Entscheidend ist letztlich die – vertretbare – eigene Prognose des Staatsanwalts, dass er selbst nach Sach- und Rechtslage wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen werde (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 170 Rn. 1).
Das Berufungsgericht hat dies alles im Ansatz nicht verkannt. Seine Subsumtion ist jedoch weder aus sich heraus noch in Verbindung mit seinen Bezugnahmen auf Einzelheiten der Anklageschrift vollständig und schlüssig, soweit es zu dem Ergebnis gelangt, es sei nach dem zum Zeitpunkt der Anklageerhebung vorliegenden Verfahrensstoff hinreichend wahrscheinlich gewesen, dass die Hauptverhandlung eine Tatbegehung durch den Kläger zu 2 erweisen werde. Von einem hinreichenden Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 geht das Berufungsgericht nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen offenbar selbst nicht aus.
Dabei mag im Revisionsverfahren mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden – ohne dass dies vertieft zu werden braucht -, dass die Staatsanwaltschaft aus den ihr vorliegenden sachverständigen Stellungnahmen über die Entstehung des Brandes derjenigen des Sachverständigen B. folgen, mithin eine vorsätzliche Brandstiftung als naheliegend annehmen und die abschließende Klärung der Brandursache der Hauptverhandlung vor der Strafkammer überlassen durfte.
Dem Berufungsgericht kann auch darin gefolgt werden, dass sich aus den nicht unerheblichen Schwierigkeiten, in der sich seinerzeit die F. & M. GmbH befand, ein denkbares Motiv für eine etwaige Täterschaft der Kläger ergeben konnte, ohne dass die insoweit in der Anklageschrift bzw. im Urteil des Berufungsgerichts angesprochenen wirtschaftlichen Gesichtspunkte allerdings für sich den Schluss aufdrängten, dass es sich um eine Brandstiftung im Interesse der F. & M. GmbH bzw. der Kläger als Gesellschafter dieser Firma gehandelt haben muss.
Jedenfalls reichen die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht, um die „Vertretbarkeit“ der Anklage gegen die Kläger zu begründen.
Wenn das Berufungsurteil Ausführungen zum Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 vermissen lässt, so liegt dies ersichtlich daran, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Tatbegehung oder eine Veranlassung der Tat durch den Kläger zu 1 gibt und die bloße Möglichkeit – selbst im Sinne einer aus der Motivlage hergeleiteten Plausibilität -, dass (auch) der Kläger zu 1 hinter der Brandstiftung „stecken“ konnte, von vornherein nicht für eine Verurteilung ausreichen konnte. Damit erweist sich aber – was das Berufungsgericht bei seiner Würdigung unberücksichtigt lässt – die Anklage des Staatsanwalts als auf den ersten Blick ohne tatsächliche Grundlage, soweit sie beiden Klägern gemeinschaftliche Brandstiftung anlastet, ohne näher darauf einzugehen, wie nach der Vorstellung des Staatsanwalts die persönliche Tatausführung durch die Angeschuldigten stattgefunden haben soll, und ohne die Möglichkeit der Täterschaft dritter Personen nachvollziehbar auszuschließen.
Soweit das Berufungsgericht, was den Kläger zu 2 angeht, die Vertretbarkeit der Annahme hinreichenden Tatverdachts aus „in ihrer Häufung bemerkenswerten Indizien“ herleitet, die in der Anklageschrift aufgelistet und bewertet worden seien, erörtert es nur folgendes:
Der Kläger zu 2 sei kurz vor Ausbruch des Brandes zweimal am Tatort gewesen. Irgendeine nähere zeitliche Einordnung wird insoweit nicht vorgenommen. Es kann sich nach den in der Anklageschrift angeführten Tatsachen nur darum handeln, dass der Kläger zu 2 zu einem nicht näher festgehaltenen Zeitpunkt eine Salzheringsmaschine repariert hatte und sich dann zwischen etwa 20 Uhr und etwa 20.45 Uhr zusammen mit dem Werkmeister, der die Maschinen überprüfte, noch einmal in die Firma begab. Welche konkreten Handlungen dem Kläger zu 2 angelastet werden könnten, bleibt offen.
Das Alibi des Klägers zu 2 (durch Familienangehörige) für den Zeitpunkt der Brandentstehung habe ihn nicht maßgeblich entlasten können, da es ohne weiteres zu bewerkstelligen gewesen sei, einen Brand mit zeitlicher Verzögerung zu legen. Auch insoweit werden nur Vermutungen geäußert bzw. Möglichkeiten angesprochen, ohne Hinweis auf konkrete Anhaltspunkte für eine bestimmte Vorgehensweise des Klägers zu 2.
Außerdem habe nach dem Verhalten, das der Kläger zu 2 kurz vor dem Ausbruch des Feuers gegenüber dem Zeugen B. an den Tag gelegt habe, einiges dafür gesprochen, dass er ein Interesse daran gehabt habe, den Zeugen von dem Betriebsgebäude fernzuhalten, bzw. dass er ihn zumindest dort nicht ohne Aufsicht habe agieren lassen wollen. Dies betrifft die Aussage des Zeugen B., der Kläger zu 2 sei darüber, dass er, der Zeuge B., unbedingt selbst einen Probelauf mit der reparierten Salzheringsmaschine machen wollte, offensichtlich sehr verärgert gewesen. Konkrete Bezüge zu einer Brandlegung durch den Kläger zu 2 ergeben sich daraus nicht. Wie die Revision mit Recht rügt, ist den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils auch nicht zu entnehmen, ob und inwieweit der Kläger zu 2 den Zeugen B. während des Aufenthalts in der Firma beaufsichtigt haben soll.
Insgesamt ermangelt es der Anklageschrift an greifbaren positiven Hinweisen auf eine Täterschaft des Klägers zu 2, und solche sind – im vorliegenden Amtshaftungsprozess – auch nicht dem Urteil des Berufungsgerichts zu entnehmen. Das lässt nach dem im Revisionsverfahren vorliegenden Prozessstoff nur den Schluss zu, dass die Staatsanwaltschaft bei der Erhebung der Anklage gegen die Kläger zu 1 und 2 nicht mit deren Verurteilung, sondern – falls das Hauptverfahren überhaupt eröffnet werden sollte – mit einem Freispruch rechnen musste, falls sich in der Hauptverhandlung nicht noch unvorhergesehene Beweise ergeben würden. Die Erhebung der Anklage auf einer so ungesicherten tatsächlichen Grundlage widerspricht der Strafprozessordnung und war daher amtspflichtwidrig.
Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt (vgl. etwa Senatsurteil vom 18. Juni 1998 – III ZR 100/97 – NVwZ 1998, 1329), ist insoweit auch von einem Verschulden der Staatsanwaltschaft auszugehen. Es kommt hier im Hinblick darauf, dass das Berufungsgericht die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft als nicht amtspflichtwidrig beurteilt hat, auch nicht der Grundsatz zur Anwendung, dass einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (sog. Kollegialitätsrichtlinie; vgl. Senatsurteile BGHZ 97, 97, 107 und vom 16. Oktober 1997 – III ZR 23/96 – NJW 1998, 751). Denn das Berufungsgericht hat die Anklageerhebung lediglich nach einem gegenüber der eigenen Prüfungspflicht der Staatsanwaltschaft reduzierten Prüfungsmaßstab gebilligt (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1997 aaO).
Das klageabweisende Urteil lässt sich danach in dem Umfang, in dem es der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt, mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, es liege keine Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Anklageerhebung gegen die Kläger vor, nicht halten. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
Das Berufungsgericht äußert Zweifel – enthält sich jedoch insoweit, aus seiner Sicht folgerichtig, einer Entscheidung -, ob der geltend gemachte Schaden, der dadurch entstanden sein soll, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren (hier: die Erhebung der Anklage anstelle einer Einstellung des Verfahrens) gegen die Kläger die Auszahlung der Versicherungssumme verzögert habe, in den Schutzbereich der in Rede stehenden Amtspflichten der Staatsanwaltschaft fällt. Hierzu erwägt das Berufungsgericht: Die Wahrung oder gar Förderung zivilrechtlicher Interessen, wie des Interesses an der Auszahlung der Versicherungssumme, sei nicht Sinn und Zweck eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Müsste der Staatsanwalt bei seiner Amtsführung zumindest mittelbar auch solche Vermögensinteressen im Auge haben, würde hierdurch ein kaum beherrschbares und mit den Interessen einer geordneten Strafrechtspflege schlechterdings nicht zu vereinbarendes Haftungsrisiko entstehen.
Denn es seien vielfältige Konstellationen denkbar, unter denen die Erledigung eines zivilrechtlichen Anspruchs von dem vorherigen Abschluss eines Ermittlungsverfahrens abhängig sei oder von den Beteiligten abhängig gemacht werde. Zudem sei es für die Ermittlungsbehörden noch nicht einmal stets abschätzbar, welche zivilrechtlichen Interessen hinter einem Ermittlungsverfahren stünden. Von derartigen Unwägbarkeiten und Risiken dürfe die Tätigkeit des Staatsanwalts nicht beeinflusst werden. Setze man sie einem solchen Haftungsrisiko aus, trete zwangsläufig eine Beschränkung der Amtsführung ein, die mit einer geordneten Strafrechtspflege kaum vereinbar sein dürfte. Dies gelte auch dann, wenn man berücksichtige, dass die Amtsführung des Staatsanwalts im Amtshaftungsprozess nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen überprüft werden könne.
Diese Bedenken teilt der Senat, was den hier von den Klägern aus der amtspflichtwidrigen Anklageerhebung gegen sie hergeleiteten Vermögensschaden angeht, nicht.
Dass die Kläger in Bezug auf die Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine nach den gesetzlichen Vorschriften unzulässige Anklage gegen sie zu erheben (vielmehr – nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falls – das Verfahren nach dem Abschluss der Ermittlungen einzustellen), als Betroffene des Ermittlungsverfahrens „Dritte“ im Sinne des § 839 BGB sind (zu diesem Begriff vgl. etwa BGHZ 134, 268, 276), steht außer Frage. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ansatz mit Recht hervorgehoben, dass eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muss. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll.
Es kommt danach auf den Schutzzweck der Amtspflicht an (BGHZ 110, 1, 9; 117, 83, 90; 134, 268, 276). Aber auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich nicht bezweifeln, dass die Vermeidung von Vermögensschäden, die durch eine unzulässige (unvertretbare) Anklageerhebung bei dem (rechtswidrig) Angeschuldigten eintreten, vom Schutzzweck der Amtspflicht, keine gesetzlich unzulässige Anklage zu erheben, umfasst wird. Es geht in diesem Zusammenhang nicht, wie nach dem gedanklichen Ansatz des Berufungsgerichts, um die „Wahrung oder gar Förderung“ zivilrechtlicher Interessen. Sondern um die Vermeidung von Vermögensschäden, wie sie erfahrungsgemäß häufig mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – insbesondere im Falle der Anklageerhebung – einhergehen.
Geht es – wie hier – um den Vorwurf der vorsätzlichen Brandstiftung bzw. des Versicherungsbetruges, so gehört es zu den typischen Nebenfolgen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, dass der Versicherer die Auszahlung der Feuerversicherungssumme ganz oder zu einem erheblichen Teil bis zur Einstellung des Verfahrens zurückstellt (vgl. § 17 Abs. 2 b AFB), wodurch nicht selten die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bedroht sein kann. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 21. April 1988 (aaO) ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft dies im Rahmen ihrer im Ermittlungsverfahren zu treffenden Entscheidungen bedenken muss.
Soweit das Berufungsgericht hierdurch die Staatsanwaltschaft einem für eine geordnete Rechtspflege unerträglichen Risiko ausgesetzt sieht, wird diesem Gesichtspunkt hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass die Entschließungen der Staatsanwaltschaft, wie ausgeführt, im Amtshaftungsprozess ohnehin nur auf ihre „Vertretbarkeit“ überprüft werden können.
Wenn das Berufungsgericht schließlich die Frage aufwirft, ob und in welcher Weise eine verzögerte Auszahlung der Versicherungssumme an die F. & M. GmbH überhaupt zu einer Vermögenseinbuße bei den Klägern geführt hat, so steht auch dieser Gesichtspunkt nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt einem Schadensersatzanspruch der Kläger aus Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft nicht entgegen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass dann, wenn der Alleingesellschafter einer GmbH von einem Dritten schuldhaft verletzt wird und der Schaden an seinem „Sondervermögen“, seiner Gesellschaft, eintritt, es nach Lage des Falles im Verhältnis zum Kläger so angesehen werden kann, dass ihn persönlich ein Schaden getroffen hat (BGHZ 61, 380; BGH, Urteile vom 8. Februar 1977 – VI ZR 249/74 – VersR 1977, 374, vom 6. Oktober 1988 – III ZR 143/87 – WM 1988, 1851 und vom 23. März 1995 – III ZR 80/93 – BGHR BGB § 249 Schaden 8; vgl. auch BGHZ 106, 313, 315).
Es kann offen bleiben, ob die Grundgedanken dieser Rechtsprechung (s. insbesondere die vertiefenden Ausführungen in dem Urteil vom 8. Februar 1977 aaO) auf den hier vorliegenden Fall einer Zwei-Personen-Gesellschaft, in der die beiden einzigen Gesellschafter (Brüder) zugleich die Geschäftsführung ausgeübt und sich dadurch gleichberechtigt wirtschaftlich betätigt haben, übertragbar wären. Solcher Überlegungen bedarf es im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Kläger ihren Schadensersatzanspruch auch – und zwar, wie ihre Ausführungen zur Höhe nahelegen, wohl vorrangig – aus abgetretenem Recht der F. & M. GmbH herleiten und nach den vorstehenden Ausführungen ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch der Zessionarin gegen das beklagte Land wegen Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Erhebung der Anklage gegen die Kläger in Betracht kommt. Davon, dass die F. & M. GmbH infolge der (weiteren) Zurückstellung der Auszahlung der Feuerversicherungssumme durch den Versicherer als Versicherungsnehmerin einen Schaden erlitten hat, ist im Revisionsverfahren auszugehen (vgl. auch nachstehend zu IV).
Bezüglich eines solchen Schadens, der im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 b AFB darauf beruht, dass eine „polizeiliche oder strafrichterliche Untersuchung aus Anlass des Schadens gegen den Versicherungsnehmer“ (hier: gegen seine gesetzlichen Vertreter) eingeleitet worden war, ist amtshaftungsrechtlich auch die F. & M. GmbH geschützter „Dritter“ der oben (1 b) erörterten Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine nach den gesetzlichen Vorschriften unzulässige Anklage zu erheben, sondern statt dessen nach dem Abschluss der Ermittlungen das Verfahren gegen die Beschuldigten mangels hinreichenden Tatverdachts einzustellen. Denn das Ermittlungsverfahren gegen die Kläger, die zugleich Geschäftsführer und die einzigen Gesellschafter der F. & M. GmbH waren, betraf – was die besagten typischen und schwerwiegenden Folgen für die Feuerversicherung anging – unmittelbar die GmbH als Versicherungsnehmerin.
Im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache selbst (vgl. § 565 Abs. 3 ZPO) sind insoweit nicht gegeben, auch nicht für den Erlass eines Zwischenurteils über den Grund (§ 304 Abs. 1 ZPO) des Zahlungsanspruchs, soweit dieser aus der Erhebung der Anklage (statt der Verfahrenseinstellung) gegen die Kläger hergeleitet wird. Bei Schadensersatzklagen reicht zwar für ein Grundurteil die hohe Wahrscheinlichkeit, dass irgendein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1998 – V ZR 319/96 – NJW 1998, 1709). Die Schadensberechnung muss aber wenigstens schlüssig sein.
Hierfür bedarf es eines konkreten Vortrags der Kläger, welche Versicherungsleistungen im Falle einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens statt der Anklageerhebung vom 5. Juni 1996 wann zur Auszahlung gekommen wären, wann sie nach den tatsächlichen Abläufen ausgezahlt wurden und welche Vermögenseinbußen durch diese Verzögerung eingetreten sind. Die Berechnung eines abstrakten „Betriebsunterbrechungsschadens“, der nicht auf diese konkreten Abläufe abstellt, reicht nicht aus.
Nach dem Gang des bisherigen Verfahrens in den Tatsacheninstanzen muss den Klägern Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags in diesem Punkt gegeben werden.
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