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Das Kürzungsrecht der Versicherer bei Obliegenheitsverletzungen nach neuem Recht

Urteil vom 15.07.2010 – LG Dortmund, 2 O 8/10

Das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sieht vor, dass bei grob fahrlässiger Verletzung von Obliegenheiten durch den VN der VR nicht mehr gänzlich leistungsfrei wird. Das so genannte „Alles-oder-nichts-Prinzip“ ist weggefallen. Anstelle dessen sieht das Gesetz ein Leistungskürzungsrecht des VR vor, geregelt in § 28 Abs. 2 S. 2 VVG.

Strittig ist nicht nur, wie viel Prozent der VR bei welcher Fahrlässigkeit vom Schaden abziehen darf, sondern vor allen Dingen auch die Frage, was bei mehrfachen Obliegenheitsverletzungen zu geschehen hat.

Eine Meinung vertritt die Ansicht, dass bei zwei Obliegenheitsverletzungen, wobei die eine zu z.B. 20 % Leistungskürzungen und die weitere Obliegenheitsverletzung zu 70 % Kürzung berechtigt; den Versicherer dann insgesamt zu einer Leistungskürzungen von 90 % berechtigt. Das ist das sogenannte Additionsmodell.

Nach einer weiteren Meinung ist nur die Kürzung der stärksten Obliegenheitsverletzung möglich, also im Beispielsfall 70 %. Alle weiteren Obliegenheitsverletzungen, die dahinter zurückbleiben, bleiben unberücksichtigt.

Nach einer weiteren Meinung wird die schwerste Obliegenheitsverletzung in voller Höhe zu Leistungskürzungen herangezogen. Die weitere Obliegenheitsverletzung nur zur Hälfte, hier also 70% plus 10% = 80%.

Und eine letzte Meinung vertritt die Ansicht, dass es auf eine „wertende Gesamtbetrachtung“ ankommt. Toll!

Das Landgericht Dortmund entschied in obigem Fall, dass die letzte der eben dargestellten Meinungen der Vorzug zu geben ist. In den Fällen, in denen mehrere Obliegenheitsverletzungen mit unterschiedlichem Kausalitätsumfang zu berücksichtigen sind, würde sich eine „schematische Lösung“, also jeder Automatismus, verbieten. Es sei eine Kürzung zu bestimmen, die auf einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zurückzuführen ist, nur so kann der Einzelfall richtig bewertet werden.

Auch dieser Fall zeigt, dass im neuen VVG noch nichts endgültig feststeht

Der vom Gericht entschiedene Fall jedenfalls war wie folgt ( wobei es um eine Geschäfts- und Betriebsinhaltsversicherung geht, das entspricht einer Hausratversicherung für den Betrieb):

Ein VN betrieb ein Schmuckgeschäft. Er schloss beim VR eine Inventarversicherung ab. Vereinbart wurde, dass an einer bestimmten Tür ein Panzerquerriegel angebracht wird. Dieser Panzerquerriegel wurde aber nicht an der vereinbarten Türe angebracht. Es kam zum Einbruchdiebstahl genau durch diese Türe. Ein Schaden von € 190.393,- durch gestohlenes Gold entstand. Der VN hat, obwohl der Einbruchdiebstahl am 29.1.2009 erfolgte, die so genannte Stehlgutliste nicht bei der Polizei sondern nur beim VR eingereicht. Erst am 19.3.2009 wurde die Stehlgutliste durch den vom VR beauftragten Sachverständigen eingereicht.

Der VR kürzte die Entschädigung wegen zweifacher Obliegenheitsverletzung auf 75 % und zahlte nur € 47.600,00. Das Gericht sprach dem VN weitere € 26.793,00 zu, so dass er insgesamt auf einem Schaden von € 116.000 aufgrund der zweifachen Obliegenheitsverletzung sitzen blieb. Dabei kürzte das Gericht für die Verletzung der Sicherheitsobliegenheit den Schadensbetrag um 6/10, also € 114.235,80. Da bei dem Diebstahl nicht identifizierbarer Goldschmuck entwendet wurde und nur ein Bruchteil des Schadens, nämlich ein Betrag von € 7.933,00, auf individualisierbaren Schmuck entfiel, wurde nur eine Kürzung auf den individualisierbaren Schmuck vorgenommen. Eine Kürzung von 4/10, also € 3.187,20, erfolgte (ein Fahndungserfolg bei rechtzeitig eingereichter Stehlgutliste bei der Polizei wäre nur hinsichtlich dieses Schadensbetrages vorhanden gewesen. Das nicht individualisierbare Gold hätte die Polizei auch nicht gefunden, wenn die Liste vollständig rechtzeitig eingereicht worden wäre. Deshalb keine Kürzung diesbezüglich).

Daraus errechnete das Gericht mit „wertender Betrachtung“ einen Kürzungsbetrag von rund € 16.000,00.

Kürzungsrecht des Versicherers

Wichtig für Praktiker ist, dass offensichtlich die nicht rechtzeitige Übermittlung einer Stehlgutliste an die Polizei ein Kürzungsrecht des Versicherers von 4/10 verursacht. Bei dem nicht Anbringen besonderer einbruchshemmender und vereinbarter Sicherungen ist ein Kürzungsrecht von 6/10 anzunehmen.

Im Ergebnis ein nachvollziehbares Urteil.

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